Anspruch

Demokratietheorie hat weniger die Aufgabe, Realität zu beschreiben und die Funktionsweise bestehender Prozesse und Institutionen politischer Systeme zu erklären. Vielmehr ist es die Pflicht der Demokratietheorie, anspruchsvolle Normen zu formulieren, an denen sich die Politik in der Gestaltung der Verfasstheit des politischen Systems orientieren muss, sollte “Demokratie” ihr eigener Anspruch sein. Demokratietheorie muss eine Handlungsanleitung liefern, “antidemokratische” Entwicklungen einzuhegen. Gesellschaftliche Sub- und Suprasysteme dürfen sich nur im Rahmen der von der Demokratietheorie festgelegten demokratischen Grenzen entwickeln können. Jede Überschreitung der Grenzen muss von der Politik aktiv korrigiert werden. Es ist ein Irrglaube, Demokratietheorie habe der normativen Kraft des Faktischen zu folgen. Nicht Theorie darf auf Faktizität folgen, die Institutionalisierung der Systeme muss sich an der Theorie ausrichten. Sollte dies nicht der Fall sein, verkümmert Demokratietheorie zur Deskription und verliert jeden normativen Anspruch.

Empirie und Theorie klaffen beim “Gegenstand Demokratie” zwangläufig auseinander. Es wird, vielmehr muss es immer Utopie bleiben, Deckungsgleichheit herzustellen. Demokratie ist per definitionem utopisch. Deswegen darf sich Demokratietheorie nicht von der empirischen Forschung zur normativen Abrüstung zwingen lassen. Sie muss sich der Forderung des Zeitgeists widersetzen, welcher der Demoskopie huldigt, Umfrageergebnisse als Norm verkauft; welcher das Versagen der supranationalen Politik als naturgegebene Entwicklung sieht und gleichgültig die selbstverschuldeten Realitäten demokratischer Defizite akzeptiert.

Die Ablösung der Input- durch Outputlegitimation kommt einer Bankrotterklärung der Demokratietheorie gleich. Sie opfert die mühsam erstrittene Norm aposteriorischen Gemeinwohls und kehrt zur apriorischen Definition des “Interesses des Volkes” zurück. “Effektivität des Regierungshandels” wird zum Maßstab demokratischer Herrschaft, “gute Outputs” sind nun das Ziel des politischen Prozesses. Gewünschte Ergebnisse scheinen von vorne herein klar, deren Definition wird dem demokratischen Diskurs entzogen. Allein der Begriff “Ex-Post-Legitimation” sollte Warnung genug sein, Anlass, über die Konsequenzen der Aufgabe der Inputlegitimation nachzudenken. Indem die “realistische” Demokratietheorie politische Prozesse aufgrund deren Ergebnissen bewertet und den Prozess der Generierung der Outputs nicht auf dessen demokratische Qualität überprüft, gibt sie alle demokratischen Ansprüche auf. Jede Theorie output-orientierter Demokratie festigt die Macht der Eliten, der Begriff „Refeudalisierung“ (Ingeborg Maus) ist nicht zu hoch gegriffen.

Demokratietheorie muss immer futuristische Zielvorstellung sein, Ansporn Gegenwärtiges zu verbessern. Das bedeutet nicht, dass sich die Theorie nicht verändern darf. Im Gegenteil muss sie die Erkenntnisse der empirischen Forschung beachten. Daraus kann jedoch kein Zwang zur normativen Anpassung folgen. Die Empirie ist vielmehr Werkzeug zur regelmäßigen Diagnose, zur Überprüfung des Behandlungsfortschrittes, zur Justierung und zeitgemäßen Anpassung der Behandlungsmethode.